Ausstellungsarchiv
Die Kronberger Malerkolonie
Ausstellung vom 25. Oktober 2020 – 19. September 2021
In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich mit dem Beginn der Industrialisierung in den Städten – und hier insbesondere im Bürgertum – eine Sehnsucht nach der Natur. Traditionelle Wertevorstellungen galten nicht mehr, der Lebensrhythmus beschleunigte sich extrem.
Und so begaben sich erstmals in der Geschichte der Malerei Künstler aufs Land. Es war der Wunsch nach dem Ursprünglichen, mit bäuerlich-ländlichen Motiven und zugleich eine Protestbewegung gegen die traditionelle Akademie-Malerei.
Etwa um 1850 entstand in Barbizon vor den Toren von Paris das Phänomen „Künstlerkolonie“. Diesem Beispiel folgten in den weiteren Jahren eine Vielzahl von Künstlerkolonien in ganz Europa wie z.B. auch Worpswede.
Wesentlich früher als Worpswede entstand die Malerkolonie Kronberg im Taunus. Sie gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstlerkolonien des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehung ist auf die Festansiedlung des Malers Anton Burger (1824 – 1905) in Kronberg 1858 zurückzuführen.
Die Geschichte der Malerkolonie Kronberg ist eng verbunden mit der naheliegenden Großstadt Frankfurt am Main. Eine ganze Reihe der Kronberger Maler wurde dort geboren, sie studierten überwiegend am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt.
Durch eine Verlagerung des Wohn- und Lebensmittelpunktes in das ländliche Taunusdorf fanden sie die urtümliche Landschaft und das dörfliche Ambiente, behielten aber gleichzeitig die Großstadt Frankfurt als Absatzgebiet für ihre Gemälde. Neben Frankfurt spielten Impulse aus Frankreich und den Niederlanden für die Kronberger Künstler eine bedeutende Rolle.
Als einer der ersten Kronberger Maler gilt Peter Burnitz (1824 – 1886), der viel Zeit in Frankreich zugebracht hat und den weiteren Kronberger Malern eine französische Kunstauffassung näherbrachte. Auch Anton Burger wurde seine Paris-Reise 1852 und seine Begegnung mit Gustave Courbet zu einem wesentlichen Erlebnis.
Weitere Kronberger Maler wie Adolf Schreyer (1828 – 1899), Norbert Schrödl (1842 – 1912), Otto Scholderer (1834 – 1902), Fritz Wucherer (1873 – 1948) arbeiteten jahrelang in Paris. Darüber hinaus hatten die Frankfurter Ausstellungen von Gustave Corbet (1819 – 1877) in den Jahren 1852, 1855 und 1858 eine starke Auswirkung auf die Malerei der Region.
Zum anderen gab es teilweise eine Rückbesinnung auf die niederländische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts. Gut zu erkennen ist dies bei Gemälden von Anton Burger.
Über die Jahre wirkten in der Malerkolonie etwa 100 Künstler, unter ihnen eine ganze Reihe bedeutender Namen wie Wilhelm Trübner, Jakob Fürchtegott Dielmann, Hans Thoma und Carl Morgerstern.
Das „Ende“ der Malerkolonie setzte ein mit dem Zuzug wohlhabender Frankfurter Bürger in den beschaulichen Taunusort, die dort ihre Villen bauten. Höhepunkt dieser Entwicklung war zweifelsohne, dass sich die Witwe Kaiser Friedrich III. 1888 in Kronberg niederließ und dort bis zu ihrem Tode 1901 lebte. Ihr Schloss Friedrichshof wurde gesellschaftlicher Mittelpunkt. Die selbst künstlerisch tätige Tochter der Queen Victoria von England sagte einmal über sich: „Wenn ich von Beruf nicht Kronprinzessin sein müßte, so wäre ich Malerin.“
Der Charakter von Kronberg als Malerkolonie ging nach dem Tod Anton Burgers im Jahr 1905 verloren.
Die umfangreiche Gemäldesammlung Kronberger Kolonisten befindet sich im Besitz der Stiftung Kronberger Malerkolonie. Diese ist beheimatet in der ehemaligen Künstlervilla des Kronberger Malers Heinrich Winter (1843 – 1911).
In dem angegliederten Kunstmuseum findet in der Zeit vom 25. Oktober 2020 bis zum 28. Februar 2021 die Ausstellung „Mythos Worpswede“ statt. Zeitgleich stellt die Lilienthaler Kunststiftung in ihrem Museum als Kronberger Leihgabe 60 Gemälde von 25 Künstlern aus.
Ein wunderbarer Querschnitt von Arbeiten der damaligen Malerkolonie.