Ausstellungsarchiv
Menschenkenner.Träumer.Künstler.
Ausstellung vom 29. Oktober 2023 - 10. März 2024
Mit 44 Jahren malte Dr. Johannes Helm – 1971 war er noch Professor für klinische Psychologie an der Humboldt-Universität in Berlin – sein erstes Ölbild, weil er ein Weihnachtsgeschenk brauchte.
Mit der Kunst konnte er sich nur an Wochenenden in seinem Berliner Hochhaus oder beim Zelturlaub in Dranske auf Rügen beschäftigen. Nur vier Jahre später trieb es ihn immer stärker dazu, sich in Bildern auszudrücken.
Als Autodidakt dauerte es eine Weile, bis er die wesentlichen Grundlagen des Malens erlernt und verstanden hatte. Ab 1975 verstärkte sich sein Wunsch, Maler zu werden. Dies war auch ein wesentlicher Grund, die Großstadt Berlin zu verlassen. In der weiten mecklenburgischen Landschaft bei Neu Meteln, unweit von Schwerin, fand er mit seiner Frau, der Psychologin und Schriftstellerin Helga Schubert, seine Traumlandschaft, die die Folie für den größten Teil seiner bislang über 1000 Gemälde abgab.
Dieser weltabgelegene Ort galt lange als Teil der kleinen Künstlerkolonie Drispeth, in der sich Künstler wie Thomas Nikolaou, Joachim Seypel, Werner Lindemann, Daniela Dahn, Jochen Laabs, Wolf Spillner und Christa und Gerhard Wolf eine Utopie zur real-sozialistischen Wirklichkeit schufen. Immer wieder lässt sich Helms Bewunderung für Claude Monet erkennen. Er trachtet nicht so sehr der Malweise nach, sondern eher dessen Motiven.
So wie dieser hat sich auch Johannes Helm weit ab der Großstadt sein eigenes Reich mit vielfältigen eigenen Motiven geschaffen. In seinen Arbeiten schließt Johannes Helm jedoch eher an die Tradition der Naiven wie Albert Ebert oder Paul Schultz-Liebisch an. Aus einfachen Anfängen des Malens und ebensolcher Motive haben sich die Themen seiner Werke von Jahr zu Jahr erweitert und verschoben. Mal sind es die Bäume, die ihn interessieren, dann der weite und endlose Himmel, dann sein Garten oder Begebenheiten, die sich in seinem kleinen Dorf ereignet haben.
Der Horizont seiner Arbeiten ist im Laufe der Zeit weiter geworden.
Und im Alter kamen wie von selbst vermehrt christlich-religiöse Motive hinzu! Aber auch Selbstbildnisse finden sich in all den Jahren der Arbeit.
Die einfache Symbolik seiner Bildmotive täuscht nicht darüber hinweg, dass Johannes Helm ernste Absichten mit seinen Arbeiten verfolgt. In seiner Bilderwelt erzählt er seine Sicht auf die Dinge und die ihn umgebende Welt gerne mit einigem Humor und ihm eigener Melancholie. Helms Motive stammen so oft aus der tiefen Erkenntnis seiner langen Tätigkeit als Psychologieprofessor und Psychotherapeut, bei der er die menschlichen Schwächen studieren konnte. Solche Motive und Begebenheiten bindet er wie ein genauer Beobachter in die Landschaft Mecklenburgs oder seine Traumlandschaften ein. Helga Schubert benennt es als seine „Gegenwelt“.
Er selbst hat all die Jahre mit einer Beharrlichkeit an seinen Träumen festgehalten und so oft es ging, Freunde und Bekannte eingeladen, um mit ihnen seine Gemälde zu betrachten. Die bei diesen Begegnungen entstandenen Gespräche und Überlegungen flossen ein in eines seiner mittlerweile schwer erhältlichen Bücher mit dem doppelsinnigen Titel
„Malgründe“, in dem er zum Interpreten und Erzähler seines Werkes wurde.
Über viele Jahre hat der heute 96-jährige Johannes Helm seine Gemälde jeden Sonntag in seiner eigenen Galerie ausgestellt. Dazu gab es regelmäßig Veranstaltungen mit vielen Freunden.
Jetzt sind seine Arbeiten erstmalig in großem Umfang außerhalb seines Heimatortes in der Lilienthaler Kunststiftung zu sehen. Die Ausstellung umfasst weit über 70 Gemälde aus seinem über 50-jährigen Schaffen.
Ein elegischer Ton
Ich begann arg- und ahnungslos zu malen, wie man einen Garten anlegt oder sich Geschichten ausdenkt… Aber so bleibt es nicht, wenigstens nicht nur so. Ich habe Publikum, Teilnahme ist mir sicher. Verklärte Gesichter bei diesem, Vorübergehen bei jenem Bild.
Und dann passiert es: Ich höre nicht nur freundlich zu und staune über die vielfältige Resonanz. Nein, ich fühle mich beraten und beurteilt, ermuntert und entmutigt. Nicht mehr nur neugierig und unbefangen beginne ich mit dem nächsten Bild, denke an den Blick der anderen. Was würde dieser sagen, was jener? Den möchte ich sehen, der beim Malen nur auf sich und das Bild hört, darauf, was es fordert, wohin es führt, der keine koketten Seitenblicke wirft
und der es nicht zu Schluß wissen möchte. Wir sind so, wir brauchen diesen Widerhall mit seinen beflügelnden, beunruhigenden oder verstimmenden Folgen. – Brauche ich ihn wirklich? – Ja und nein. Ohne Bestätigung ist ein Bild stumm. Manchmal spricht es in einer unbekannten Sprache, die erst gelernt werden muß, aber das sind Ausnahmen … Manchmal meinte ich schon, das Bild sei den Rahmen nicht mehr wert.
Wenn ich mich nach dem richte, was andere loben, und nicht danach, was das Bild mir aufgibt und was ich dem Bild aufgebe, dann werde ich auf schlimme Weise abhängig. Male nicht mehr, was ich will, sondern nach dem Beifall anderer, richte mich nach ihnen und verliere mich. Wer sich so verliert, wer sich aufgibt, nach der Gunst malt und schreibt, dem wird trübe, was einmal klar war. Und was wird erst aus ihm, wenn er nicht mehr weiß, wonach er sich richtet: nach sich selbst oder nach anderen …
Da ist dann nichts mehr mit dem Abenteuer mit dem Bild, die Freude am Stimmigmachen, bis das Bild fest und geschlossen wird. Das ist nicht nur beim Malen so.
Johannes Helm: Malgründe, 1988